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Tag 9 - Seetag

 

So, wir hoffen mal, dass Ihr alle den Eisregen unbeschadet überstanden habt, sieht ja nicht gut aus, was wir hier im Fernsehen mitbekommen.
Gestern nun hat ein Großteil des Publikums gewechselt. Es ist gefühlt unruhiger geworden, scheinbar sind mehr Erstfahrer dabei. Heute morgen an der Rezeption ellenlange Schlangen, in den Shops mit den tollen und wer weiß wie hoch rabattierten Uhren ein Gewimmel wie in einem Ameisenhaufen. Die meisten scheinen nicht zu wissen, dass der Preis für diese Zwiebeln zum Ende der Reise fast ins Bodenlose fallen werden. Aber den Vogel schießen die ab, die im Restaurant an der Schnittstelle von 4 Laufstraßen (also dort, wo jeder mit seinem vollen Teller durch muss) zu viert nebeneinander stehen bleiben und die tollen Buffetts bestaunen. Ein älteres Ehepaar ist uns seit gestern abend schon dreimal aufgefallen (das will bei 2500 Passagieren was heißen). Beide sind nicht mehr die Vitalsten und dann und wann hat man den Eindruck, man muss  sie kurz aufziehen, damit die Uhr wieder tickt. Jedenfalls scheinen sie zu glauben, dass die Crew nur ihnen allein zur Verfügung steht. Sie sitzen an der Bar, er will wissen, auf welchem Deck er sich befindet (mir persönlich wäre das völlig gleichgültig, solange ich ein nettes Getränk vor mir habe) und ruft deshalb eine Bardame mit "Mädchen!" zu sich heran und dutzt sie selbstverständlich auch. Und fängt dann noch das Streiten an, weil er sich auf einem ganz anderen Deck wähnt. Grundsätzlich ist es beängstigend, wie wenige Menschen hier in der Lage sind, sich mal ein „Bitte“ abzuringen, wenn man etwas bestellt, nein, es wird nur das Gewünschte kurz herausgebellt, ebensowenige Leute bringen, wenn sie bedient werden, ein „Danke“ über ihre Lippen. Sie glauben vielleicht, sie müssten das nicht tun, ist ja schon bezahlt. Dabei ist genau das unbezahlbar und für den Dienstleistenden eine kleine Anerkennung.
Die Jungs an der Bar kennen uns inzwischen ganz gut, wir sitzen noch nicht ganz, da werden bereits unsere Getränke angereicht, auch wenn andere Leute noch warten müssen. Da merkt man, dass sie sich wirklich über unser Trinkgeld, was wir gern als Anerkennung geben, freuen.
Gestern während der Seenotrettungsübung gibt es gleich mal wieder die Durchsage „Starcode, Starcode Musterstation F“ (da ist also einer während der SNR direkt in der Musterstation aus den Latschen gekippt). Prompt rennen die Ersthelfer der Crew los. Eine Stunde nach dem Auslaufen gleich nochmal, dieses Mal mit Kabinennummer. Wir fürchten schon, dass wir noch einmal zurück nach Las Palmas müssen, aber so schlimm scheint es nicht zu sein.
Die Bezeichnung Seetag trägt ja ihre Bedeutung in sich, es meint, man kann das Schiff nicht verlassen (man kann schon, aber mit dem wieder an Bord kommen wird es stressig). So ist man also genötigt, die Möglichkeiten, die unsere schwimmende Behausung bietet, nach Kräften zu nutzen. Das heißt: in aller Ruhe genüsslich frühstücken (wir erinnern uns: montags ist Lachsfrühstück), Hot-Stone-Massage, Mittagessen, Mittagsruhe, Kosmetik, Kaffeetrinken, Sportmassage. Sogar Bildung ist dabei, der Schiffs-Lektor Stephen Bohlig hält einen interessanten Vortrag über Madeira. Der Mann ist in der Tat ein wandelndes Lexikon.
Nach all diesem Stress gönnen wir uns ein feines Abendessen im Gosch a la carte mit dem Ergebnis, dass wir beide ziemlich überfressen sind. Wir schleppen uns mit letzter Kraft in die TUI-Bar, um dort die gewohnten Rituale zu zelebrieren, wir werden auch heute nicht enttäuscht, unser Stamm-Barkeeper versucht sofort, Platz für uns an der Bar zu schaffen, uns ist das schon fast unangenehm. Wir setzen uns in die zweite Reihe und nuckeln an unseren Gläsern, ständig schaut er zu uns, sucht Blickkontakt und animiert uns, noch etwas zu bestellen, der schlimme Finger. Wir können aber widerstehen, sind einfach zu vollgefressn und gehen gegen 22 Uhr auf die Kabine, unseren Verdauungsschlaf antreten.
Fotos gibts heute leider nur vom Schiff mangels betretbarer Landmasse.

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Kommentare: 1
  • #1

    Anonymous (Freitag, 31 Dezember 2021 17:56)

    Hallo Ihr lieben, besten Dank für die netten Berichte und schönen Bilder. Habe mich köstlich amüsiert. Hoffe mit dem Gästetausch nicht zu viel versprochen zu haben. Unser Tip mit dem Essen: einfach nicht aufhören und jegliche Form von Kohlenhydraten ausschließlich in flüssiger Form geniesen. Nach 1…2 Tagen hat sich der Körper bestens angepasst…..
    Noch schöne Tage und ruhige See wünschen die Eubaer.