· 

Tag 8 - Seetag

Gestern dinnierten wir ja wie angekündigt im Esszimmer. Es ist auf Deck 4 achtern im Diamanten und man hat einen schönen Blick achteraus, sehr ruhig und gediegen ist es auch, da hier keinerlei Durchgangsverkehr stattfindet. Das Essen selbst ist ausgezeichnet, Dorit entscheidet sich für 70s-Saturday night Fever (gefüllte Eier mit Stör-Kaviar, hausgemachte Frikadelle, Mettigel, Käseauswahl und fermentiertes Gemüse) und anschließend Himmel und Ääd (könnt ihr selber googlen), ich nehme den Erbseneintopf mit geräuchertem Eisbein, Minze und Sauerrahm, das Ganze im Brotlaib, danach die Rinderroulade vom Dry Aged Roastbeef mit Gemüsefüllung an Rotweinreduktion mit Rahmwirsing und Nuss-Schupfnudeln. Eins muss man den Leuten hier lassen, kochen können sie. Meine Roulade sieht aus, als hätten sie eine halbe Kuh gewickelt. Geschmacklich volle 10 Punkte, besonders das Fleeesch mit der Rotweinreduktion, selbst die Erbsensuppe kann es mit der von Kukki locker aufnehmen. Entsprechend gesättigt treten wir den Rückzug an. Hab ich Euch den Mund wässrig gemacht? Gabs heute wieder nur Hartz-4-Lendchen beim Fleischerimbiss? Tut mir leid, wirklich!

Seit gestern pirschen wir uns strategisch an die volle TUI-Bar heran. Wir hocken uns erst in die Schau-Bar, die ist gleich nebenan, trinken was. Nach einiger Zeit kommt Plan B ins rollen, Dorit rückt auf die TUI-Bar vor, und wenn sie nach 5 Minuten nicht wieder kommt, hat sie freie Plätze gefunden, ich gehe hinterher und wir saufen dort weiter. Nach dem üppigen Abendessen werden wir aber zum einen relativ zeitig Opfer mangelnden Körpervolumens, was noch Flüssigkeit aufnehmen kann und zum anderen der Müdigkeit, der Tag in Bilbao hat uns unvermittelt viel Sauerstoff zugeführt. 

Heute frühstücken wir im Anckelmanns, es ist recht ruhig, Seetag eben, die Leute schlafen lange. Dann faulenzen wir ein wenig herum, 11 Uhr beginnt die nautische Fragestunde mit Kapitän Troier. Neues bringt sie für uns nicht, aber es ist dennoch unterhaltsam. Eine Zahl ist mir haften geblieben, der Kahn hat fast 12.000 m² „Segelfläche“, das ist so viel wie drei Fußballfelder. Die Fragen der Gäste sind auch immer wieder schön und zum Teil, sagen wir mal naiv. Einer fragt bezugnehmend zum Mann-über-Bord-Manöver (der Dampfer braucht 1,6 km, um von voll voraus auf Stand gebremst zu werden), ob das Manöver anders aussieht, wenn ein Kleinkind über Bord geht (hääähh?) und ob man als Erwachsener hinterher springen soll (man soll natürlich nicht, sonst wären dann zwei Leute zu bergen). Die interessanteste Frage stellt ein kleines Mädchen, die wissen möchte, was passiert, wenn im Notfall die Muster-Station brennt. Eine schlaue Frage, aber natürlich gibt es auch dafür ein Konzept. Wie immer kommt die Frage, wie weit man auf See sehen kann. Auch immer die selbe Antwort: kommt drauf an (eigene Höhe, Größe des zu beobachtenden Gegenstandes, und vor allem das  Wetter). Da kommt ein ganz Schlauer daher und meint dem Kapitän erklären zu müssen, dass man das natürlich ganz einfach mit dem Satz des Pythagoras ausrechnen kann. Autsch, den lässt der Herr Troier vor dem vollen Theater aber knackig abfahren. Einer möchte wissen, ob heute noch gemorst wird. Die Antwort kommt von Troier postwendend und zwar in Morsesprache (er gibt tatsächlich "did did did daa daa" usw., seine Seefahrerkarriere begann als Funker auf U29 der Marine), nämlich „Nein, gibt es nicht mehr“. Fun fact: erst bei 35° Krängung wird es für das Schiffchen gefährlich. Die Neigung an sich und ein Aufrichten von selbst wäre an sich gar kein Problem, nur läuft bei dieser Neigung das Wasser auf Deck 5 in die Treppenhäuser und von dort aus der Erdanziehung folgend immer weiter nach unten in den großen Schiffsbauch. Anmerkung: maximale Krängung auf dieser Reise war bisher 0,8°.

Mittags hauen wir uns eine Currywurst und einen Burger im Tag und Nacht Bistro rein, ein Eis findet auch noch Einlass in meinen Mund und so gut verpflegt gelingt auch das Mittagsschläfchen ganz hervorragend.

Tagsüber begleitet uns ein Schwarm von ca. 30 Basstölpeln, sie gleiten über dem vorderen Teil des Schiffes und nutzen dazu den dort entstehenden Aufwind. In der Folge sieht das Oberdeck teilweise aus wie frisch gekalkt und die Putzwiesel haben viel zu tun. Das Wetter ist nicht so prall, bewölkt, windig und 11°C.

Am späten Nachmittag habe ich noch einen Termin im Spa, eine Thai-Rückenmassage steht auf dem Plan. Da geht es ordentlich zur Sache, die Kleine kniet zeitweise tatsächlich auf meinen Schulterblättern, aber es ist sehr schön, gleich den Köchen verstehen auch die Leute im Spa ihr Handwerk ganz ausgezeichnet.

Abends essen wir im Anckelmanns, so langsam haben wir den Dreh raus mit vielen kleinen Portionen, auf diese Art  kann man fast von allem etwas probieren (erstaunlicherweise schmeckt eben auch alles, auch Kreationen, die man so selbst nicht machen würde, z.B. Graupensalat oder Schweinemedallions mit Gorgonzola-Soße). Die mangelhafte Einstellung am Kompensatorzapfhahn wird von mir auf der Stelle korrigiert, damit alle ein gutes Bierchen zapfen können. Das Essen ist wieder lecker, der Schlussakkord aus Bitburger, Räucheraal und Schlaubimmelkäse ergeben sozusagen die Krönung. Direkt nach dem Essen gehts an die TUI-Bar, heute finden wir auf Anhieb freie Plätze und geben uns dem Alkohol hin. Nach dem Urlaub müssen wir irgendwie auf die Bremse treten... aber es schmeckt nun mal so lecker.

Seit gestern Nacht haben wir den für sein schlechtes Wetter bekannten Golf von Biskaya durchquert, aber er war uns wohlgesonnen, kaum spürbarer Seegang, alles im grünen Bereich.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Susie (Donnerstag, 02 Mai 2019 22:51)

    Tja, gut eingestellte Zapfanlagen (mit dem richtigen Bier) gibt's eben nur auf der AIDA ;-). Ein Glück, dass Du an Bord bist.

  • #2

    AT&E (Freitag, 03 Mai 2019 07:53)

    Das Essen klingt gut, auch weiß ich jetzt was Ääd ist, aber an die in einer Platikschüssel trapierten Kartoffeln aus der Bauerstube, kommt euer "Fraß" sicher nicht ran. :-) Bronkow läßt grüßen.
    Dann hoffentlich bald wieder ein paar Grad mehr. Bei uns kommt gerade der Winter zurück. Kämpfen mit Wasser, wo es nicht sein sollte und haben gelernt, dass es Licht definitiv nicht durch ein Spatenblatt schafft.
    Lasst es euch gut gehen....
    P.S.: Dem Lob von Dorit kann ich mich nur anschließen (ohne Schatz :-) )

  • #3

    Carsten (Freitag, 03 Mai 2019 10:32)

    ach habt Ihrs ( verdienter Maßen) GUT, genießt es.... die Realität wird Euch schneller einholen, als Ihr es euch vorstellen wollt