Einen Ratschlag bekommt ihr von uns: solltet ihr mal in Hamburg übernachten, nehmt nicht das Premier Inn. Fenster lassen sich nicht öffnen, die Klimaanlage klingt wie ein Asthmatiker und um das Kopfende vom Bett gibt es lila LED-Licht, was man nicht ausschalten kann (vielleicht habe ich auch nur den Schalter nicht gefunden). Das Frühstück, für das knapp 13 € aufgerufen werden, setzt dem Ganzen die Krone auf. Zwei Sorten Wurst, zwei Sorten Käse, zwei Sorten Müsli, bisschen Ei-Gedöns und das war‘s auch schon. Da ist ja nun seit unserem Aufenthalt im Neptun das dortige Buffett die Referenz. Dagegen sieht das Premier Inn aber mal so gar keine Schnitte. Aber egal, wir werden satt. Die Koffer werden sicher weggeschlossen, heute ist auch ein Bio-Deutscher da, der unser Anliegen versteht. Die Dame fremdländischer Herkunft, die wir mit der Bestellung unseres Taxis für den Nachmittag betrauen, hat dagegen gar keinen Plan. Ich muss ihr alles aufschreiben.
Nun bummeln wir durch Hamburg, schlendern um die Binnenalster und machen dort die Gegend unsicher. Wir statten dem Neuen Wall einen Besuch ab, gar viele schöne Läden gibt es hier, zu deren Zielgruppe wir definitiv nicht gehören und ich lerne, dass es Handtaschen gibt, die doppelt so teuer wie mein Standard-Zoom sind, und dabei bewege ich mich mit meinem Fotogeraffel schon im Prime-Bereich. Unsere Schritte führen uns schließlich zur Hauptkirche St. Michaelis, landläufig als der Michel bekannt. Wir nehmen den Aufstieg in Angriff und ignorieren dabei den Aufzug. Nach 452 Stufen (warum nur muss ich immerzu an Kronospan denken?) erreichen wir die Aussichtsplattform in 82 m Höhe und genießen ausgiebig die großartige Aussicht auf Hamburg, den Hafen und die Elbe.
Nachdem wir alle 452 Stufen auch abwärts bewältigt haben, machen wir uns auf den Weg zu den Landungsbrücken. Dort buchen wir für schlanke 20 € pro Person eine Hafenrundfahrt. Das Schiff ist nett, das Wetter prächtig, der Skipper erzählt ohne Unterlass interessante Sachen und der große Unterschied zu Rostock ist eben, dass hier wirklich richtig große Schiffe im Hafen liegen. Und wir bekommen unser Schiffchen schon mal zu sehen.
Wieder festen Boden unter den Füßen wird es Zeit, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Auf den Landungsbrücken wimmelt es nur so von Menschen, aber im Nordsee finden wir ein ruhiges Plätzchen und das Futter ist ganz brauchbar. Nachdem wir nun dem Hungertod knapp entgangen sind, machen wir uns auf den Weg zurück Richtung Hotel, nicht ohne unterwegs ein leckeres Eis zu verschnabulieren.
Die Kofferrückgabe funktioniert reibungslos, das Taxi kommt zu spät und ankert auf drei Rädern von der ganz linken Spur in die Busbucht vorm Hotel. Das Koffer laden ist ein wenig kompliziert, aber letztlich lösbar. Der Kutscher findet sogar fast selbständig den Weg zum Cruise Terminal in Altona, stellt dort aber an der Einfahrt fest, das nichts los sei, ob wir richtig wären. Wir sind richtig. Der große Vorteil an den Taxifahrern mit Migrationshintergrund ist, dass sie nicht, wie in Dresden üblich, mir die ganze Zeit glauben ein Gespräch aufdrängen zu müssen. Gleich nach dem Ausstieg werden uns die Koffer abgenommen, leider sind wir laut Aussage der Dame vor dem Terminal zu zeitig, der Check In begänne erst 15.30 Uhr, es ist aber grade kurz nach drei. Drinnen werden aber ein paar Stühle frei, wir gehen rein um uns hinzusetzen und stellen fest, dass der Check In natürlich schon in vollem Gange ist. Und so werden wir nach weniger als 15 Minuten persönlich in Empfang genommen und zu unserer Kabine begleitet, wo uns Champagner und kleine Häppchen gereicht werden. So kann der Urlaub starten. Wir drehen gleich eine kleine Runde über das Schiff, viel Neues gibt es ja für uns nicht zu entdecken und buchen für den morgigen Seetag ein paar schöne Behandlungen im Spa.
Zurück auf der Kabine sind nun schon die Koffer angekommen, und beim auspacken fällt uns sofort wieder das absolut ausgeklügelte und durchdachte Raumkonzept der Kabine auf. Jeder Winkel wird sinnvoll ausgenutzt. Nach dem Auspacken geht es noch zur Seenotrettungsübung und 19 Uhr ist Auslaufen mit kleinem Prösterchen zusammen mit Kapitän. Bei der obligatorischen Seenotrettungsübung, bei der Anwesenheitspflicht besteht, bekommen es natürlich einige Leute eben wieder nicht mit und der ganze Rest vom Schiff wartet auf Kabine X, Y und Z. Der Drill findet im Hanse Atrium statt, es füllt sich zusehends, in der Reihe vor uns verdichten sich die Gäste, als plötzlich eine Frau panisch aufspringt und davon läuft. Offenbar hat sie maßlose Angst vor Ansteckung mit COV19. Prinzipiell habe ich dafür Verständnis, jeder wägt für sich sein individuelles Risiko ab. Aber dann darf ich eben nicht an Bord eines Kreuzfahrers gehen, denn dort kann man solchen Situationen einfach nicht aus dem Weg gehen.
Pünktlich 19 Uhr laufen wir aus, auf dem Pooldeck wird heute Gin Tonic gereicht, mal was anderes als immer wieder der schnöde Champagner. Eine Dame (Drumsel) spricht mich ohne Vorwarnung an und fragt, ob ich mich in Hamburg auskenne. Blitzartig schießen mir Fragen durch den Kopf, will sie mich nach dem Weg irgendwohin in Hamburg fragen, jetzt, wo wir an Bord sind? Ich verneine wahrheitsgemäß und sie lässt mich nunmehr wissen, dass sie sich in Hamburg auskennt, weil sie da wohnt. Aha. Ich möchte höflich sein und antworte, dass ich aus der Partnerstadt Dresden komme. Das nun wiederum löst bei ihr großes Erstaunen aus, weil sie nicht weiß, dass Hamburg Partnerstädte hat. Unsere Unterhaltung findet plötzlich ein abruptes Ende, irgendwie fehlt uns völlig die Basis.
Kurz darauf verholen wir uns ins Lido, wo wir uns endlich wieder selbst am Buffett bedienen können. Das Essen ist ganz hervorragend und wie immer neigt man am Beginn einer solchen Reise dazu, sich zu viel auf den Teller zu legen. Aber wie gesagt, es wird alles perfekt präsentiert und schmeckt hervorragend. Es ist auch schön, dass hier viele jüngere Deutsche bedienen und ich mache mir einen Spaß, mit ihnen ein wenig rumzublödeln, weil sie gleich drauf einsteigen. Man merkt, dass sie ihren Job gern und mit Freude machen.
Nach dem Essen bezieht meine Frau Posten in der fast leeren Observation Lounge, während ich draußen noch ein paar Fotos mache. Ich genieße den Wind im Gesicht, ich freue mich wie ein Schnitzel, dass ich hier sein darf, dass sich viele Menschen um mein Wohl bemühen und mir die Tage perfekt zu machen versuchen, ich genieße einfach alles und ich merke, wie einiges an Ärger der vergangenen Wochen von mir abfällt und die Elbe hinab treibt. Es ist einfach schön. Urlaub ist schön und ich weiß es zu schätzen, wohl wissend, dass viele Leute sich das nicht leisten können und muss ganz im Hintergrund daran denken, dass nicht weit von uns entfernt Menschen um ihr Leben fürchten müssen. Man kann es nicht genug wertschätzen, dass es uns gut geht, dass wir gesund sind, trocken und warm untergebracht und dass wir diesen Luxus genießen dürfen. Sehr philosophisch, ich weiß, aber manchmal treibt einen so etwas um. Jetzt gehe ich aber zum Absacker über.
Danke für Euer Interesse und die Kommentare. Ob es morgen einen Eintrag gibt, kann ich nicht versprechen, wir sind mitten in der Nordsee und ob das WLAN an Bord was taugt, wäre noch zu klären.
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Susie (Dienstag, 24 Mai 2022 21:11)
Der Philosoph hat gute Worte gefunden. Ich gönne Euch diese tolle Reise. Genießt das Gefühl, wenn Stress und Sorgen von einem abfallen.
Aber ich wusste gar nicht, dass Dresden Partnerstädte hat! ;-)