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Anreise

 

Wie immer pünktlich auf die Minute holt uns unser lieber Svern mit einem standesgemäßen Fahrzeug zu Hause ab und bringt uns zum Bahnhof. Zeitiger als geplant, denn die Bahn hat unseren ursprünglichen Reiseplan obsolet gemacht. Man teilte uns mit, dass unser Zug erst 12. 28 Uhr in Berlin ankommt, also eine Stunde später als geplant. Gleichzeitig teilte man uns mit, dass unser Zug nach Hamburg statt 12.06 Uhr schon 12.05 Uhr in Berlin abfährt. Wir bräuchten also eine Zeitreisemaschine wie den bekannten De Lorean, um in Berlin ein wenig in der Zeit zurück reisen zu können. Da fragt man sich, wer solch einen Unfug verzapft. Wir haben uns für eine einfache Lösung entschieden und eine Verbindung früher gewählt. Durch diese Änderung entfällt die Zugbindung für uns und so sind wir frei in der Wahl einer anderen Verbindung auf derselben Strecke. Aber was will man schon von einer Firma verlangen, die sich selbst als Ziel setzt, 70% seiner Züge pünktlich fahren zu lassen. Das ist ungefähr so, als würde ich mir zum Ziel setzen, an drei von fünf Tagen auf Arbeit zu kommen und darauf auch noch stolz sein.

Als ich im Zug sitze, fällt mir auf, dass ich meine Geldbörse und die Sonnenbrille zu Hause auf der Garderobe habe liegen lassen. Zum Glück hat meine Frau meinen Reisepass in ihrem Rucksack, sonst hätte ich ein echtes Problem bekommen. Es wird langsam Zeit für mich, ins betreute Wohnen umzuziehen. Ich kann mich grade selbst nicht leiden.

Tatsächlich verlassen wir Dresden mit dem EC 178 pünktlich, allerdings geht die Fahrt statt auf der direkten Route, auf Umwegen über Falkenberg. Bei der Fahrkartenkontrolle muss die Zugbegleiterin auch nur milde lächeln, als sie feststellt, dass wir eigentlich im falschen Zug sitzen. Aber es reist sich in dem Zug der CD angenehm, nur der Asiate vor uns stört ein wenig. Er ist heftig am chatten und malträtiert seine Tastatur dergestalt, dass das Gehämmer per Körperschall über die Erdoberfläche wahrscheinlich eher in Asien wahrnehmbar sein dürfte, als die Nullen und Einsen per WLAN.

Mit nur 10 Minuten Verspätung erreichen wir Berlin Hbf, wir haben genug Puffer und so bleibt Zeit, noch einen kleinen Imbiss zu besorgen. Unser ICE nach Hamburg steht schon da, aber irgendwie fährt heute kein Zug auf der richtigen Zeit und unter der richtigen Zugnummer. Es geht drunter und drüber. Entsprechend sind viele Reisende mehr oder weniger verunsichert. Wir sitzen jedenfalls richtig und so geht die Fahrt weiter gen Norden. Dem hiesigen Lochzangengesicht ist es völlig egal, dass wir im falschen Zug sitzen. Neben uns im Abteil sitzt eine dreiköpfige Familie, und plötzlich ist mir der Asiate von vorhin sehr sympathisch. Alle drei eine stumme Anklage gegen das deutsche Bildungssystem, nicht das geringste Fingerspitzengefühl, wie man sich als zivilisierter Mensch außerhalb der eigenen vier Wände benehmen sollte. Ein Graus, selbst meine an sich guten Noise Reduction Kopfhörer kommen an ihre Grenzen. Zum Glück fahren wir nur knapp zwei Stunden und sind pünktlich in Hamburg. Auf Anhieb finden wir vor dem Bahnhof den Gepäck-Shuttle von Hapag Lloyd und so können wir noch ein wenig durch die Hamburger City bummeln. Hier ist mächtig was los, Hamburg richtet in diesem Jahr die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit aus und so stehen überall viele Buden, dadurch ist nochmals enger und voller. Wir laufen zur Binnenalster, wo wir uns ein Eis und einen Kaffee schmecken lassen. Neben uns sitzen Dinkel-Dörte und der blutarme Holger. Er bekommt das bestellte Tiramisu, sie ihren Obstsalat. Es stellt sich heraus, dass dieser verschimmeltes Obst enthält, was sie zu Recht reklamiert. Der Kellner kommt, schaut es sich an, sagt „Jo“ und nimmt das Obst wieder mit. Holger schaufelt sein Tiramisu in sich rein, als gäbe es kein Morgen, Dörte schaut traurig in die Röhre. Bis wir das Lokal verlassen, kommt kein Ersatz. Wahrscheinlich war es der einzige Obstsalat...

Gegen 15.45 Uhr sind wir wieder am Bahnhof, wo wir mit dem Shuttlebus zum Cruise-Terminal nach Altona gebracht werden. Direkt nach betreten des Terminals bekommt man ein Glas Champagner, erst danach geht es ganz entspannt zum Check-in, der nur eine Minute dauert. Und direkt am Schiff wird man nochmals von einigen Offizieren direkt persönlich begrüßt. Man fühlt sich auf Anhieb wohl, welch ein Kontrast zu AIDA. Klar, 2500 Leute kann man nicht persönlich begrüßen, aber trotzdem. Es ist aber auch immer wieder ein emotionaler Moment, wenn man das Schiff betritt, und so hat uns "unsere" Hanseatic nature gegen 16.30 Uhr wieder und wir unsere Hanseatic nature.

Unsere Kabine finden wir sofort, in der haben wir ja während der letzten Reise auf diesem Schiff auch schon gewohnt. Auch hier zur Begrüßung eine kleine Flasche Champagner und kleine Häppchen, auch unsere Kabinenmaus kommt gleich nachschauen, ob es uns auch wirklich an nichts fehlt.  Man fühlt sich gleich zu Hause. Eine Überraschung gibt es auch noch: für den Ausflug zum Mount St. Michel standen wir ja nur auf der Warteliste, aber das hat nun geklappt und die Tickets liegen auf unserer Kabine.

Wir vertreten uns bis zur SNRÜ noch ein bisschen die Füße und buchen noch schnell eine Behandlung im Spa, auslaufen ist für 18 Uhr geplant. Die SNRÜ klappt unproblematisch, aber man möchte sich den Ernstfall nicht wirklich ausmalen. Viele der älteren Gäste sind bereits mit dem anlegen der Rettungsweste völlig überfordert und blockieren noch dazu den ganzen Gang.

Allerdings verzögert sich unser auslaufen doch um zwei Stunden, es stehen noch sehr viele Paletten auf der Pier. Wir erfahren, dass das Schiff seit über einem Jahr nicht in Hamburg war, und so sind auch sehr viele Ersatzteile zu bunkern. Also entschließen wir uns, noch vor dem auslaufen zum Essen zu gehen. Wie gewohnt schlendern wir ins Lido, unser schönes Bufettrestaurant und auch hier fühlt man sich sofort willkommen. Wir sitzen sehr schön draußen und genießen den Blick zurück auf Hamburg. Dabei lassen wir uns von der hervorragenden Küche verwöhnen. Und eine große Überraschung: wir treffen Joel wieder, der uns schon auf unserer Schottlandreise kulinarisch verwöhnt hat und auch er erkennt uns gleich wieder und freut sich, uns wiederzusehen. Das ist wirklich sehr schön, wenn man sich vorstellt, wie viele andere Leute er inzwischen bedient und bekocht hat. Auch Sananda ist an Bord, allerdings ist er in der Küche unten im Main Dinner. Wir lassen ihm jedenfalls viele Grüße ausrichten.

Das Essen weiß auf ganzer Linie zu überzeugen, auch die Präsentation ist eine Freude. Natürlich schließe ich in bewährter Weise mit einem Käseteller und bekomme dazu dieses Mal keinen Portwein (der ist tatsächlich nicht an Bord), aber ein hübscher Sherry passt mindestens genauso gut dazu. So genießen wir unseren ersten Tag an Bord in vollen Zügen, fühlen und wie zu Hause und sehr willkommen und haben tatsächlich mal gar nichts zu meckern.

20 Uhr laufen wir bei völliger Dunkelheit aus, das hatten wir so auch noch nicht. Ist mal was ganz anderes, achteraus die Lichter von Hamburg langsam verschwinden zu sehen. Und so tuckern wir ganz gemütlich die Elbe hinunter, unser Urlaub hat begonnen. Und weil es so schön ist, lassen wir uns auf Deck 9 ganz vorn noch ein wenig den Wind um die Nase wehen, während backbord das große Airbuswerk vorbeizieht. Nachdem wir uns davon überzeugt haben, dass dort alles seinen Gang geht, verziehen wir uns in die Observationlounge auf ein schönes Kaltgetränk und lassen den Tag ausklingen. Das umschalten auf Urlaub hat bis hier einigermaßen geklappt.

Bis morgen, stay tuned!

Wir hatten ja einen anderen Zug ausgewählt, aber das es gleich so ein schöner werden würde, hat uns überrascht ;-)

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Kommentare: 4
  • #1

    Die Hatschis (Sonntag, 01 Oktober 2023 08:26)

    Ich glaub es geht schon wieder los...wie gewohnt kurzweilig, witzig und schön bebildert. Da können wir ja froh sein, dass ihr euer Urlaubsdomizil erreicht habt. Also gute Erholung und wir freuen uns auf die kommenden Berichte.

  • #2

    Franz (Sonntag, 01 Oktober 2023 10:56)

    Macht direkt wieder Lust auf mehr! Guten Morgen, aus dem CD Zug irgendwo zwischen Prag und Wien.�

  • #3

    AT&E (Sonntag, 01 Oktober 2023 19:00)

    Wie immer "zu spät" wünschen wie euch dennoch einen schönen Urlaub ohne die Gedanken an FMB usw. Kann mir vorstellen, daß der Schock tief saß, nach der Riesaer Straße.
    Genießt die Tage und lasst es euch gut gehen. Piep und Matz werden sicher nicht hungern müssen.

  • #4

    Susanne (Mittwoch, 04 Oktober 2023 21:34)

    Es war bestimmt der LETZTE Obstsalat... sehr unterhaltsamer Start, ich komme gerade jetzt erst zur Lektüre! Dein Foto im Status hat mich erinnert.